Stories Pop-Up Kitchen – oder: „Wie erzählt man eine Geschichte?“

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Unterhaltung, Entspannung und Genuss – dafür möchte Stories Pop-Up Kitchen stehen. Umgesetzt wird das innovative Gastrokonzept von zwei Heidelberger Lokalgrößen: dem NEO Restaurant & Bar und dem Palais Prinz Carl. Was 2018 im Bahnbetriebswerk in der Bahnstadt begann und 2019 mit Alice im Wunderland im Spiegelsaal des Palais Prinz Carl fortgesetzt wurde, ging nun in die dritte Runde. Knapp vier Monate wird im ehemaligen Toys „R“ Us-Gebäude in der Blücherstraße diniert. Das Motto dieser Story: „Let’s play!“ Fotograf Christian Bartle und ich durften einen Abend lang mitspielen.

Hinweis: Da wir eingeladen wurden, handelt es sich bei diesem Artikel wohl um Werbung. Dennoch entsprechen alle geäußerten Meinungen meinen eigenen. Die Bildrechte liegen bei Christian Bartle.


„Wenn du möchtest, dass sich jemand an deine Worte erinnert, erzähle ihm eine Geschichte“ – wo ich diesen Satz kürzlich gelesen habe, weiß ich nicht mehr. Aber er stimmt. Gute Geschichten sind nicht nur unterhaltsam, sie dienen auch dazu, Wissen zu vermitteln und Zusammenhänge zu veranschaulichen. Vermutlich lernten schon kleine Neandertaler beim entspannten Feierabendtalk am Feuer, wie man ein Mammut fängt. 

Geschichten werden also schon immer erzählt – kulturübergreifend, in hunderten Sprachen. Propheten, Minnesänger, Hofnarren, die Gebrüder Grimm, Stammtischbrüder in aller Welt… sie alle leb(t)en von und für ihre Geschichten. 

Mittlerweile ist das Geschichtenerzählen in unserem Kulturkreis leider ein wenig aus der Mode gekommen. Wer gerne ausschweifend erzählt, wird schnell als Schwätzer verschrien, oder wegen allzu blumig anmutender Details gar der Lüge bezichtigt. 

Unterhaltsam erzählen darf heutzutage in erster Linie, wer dazu beruflich legitimiert ist: Neben Komikern, Drehbuchschreibern und Schriftstellern, sind das vor allem Marketingverantwortliche. Die nennen das dann Storytelling – ein aufgewärmtes Konzept mit (digitalem) Glitzerhut.

Die Wahrheit ist: Wir Menschen lieben Geschichten. Was wir von ihnen erwarten? Unterhaltung, Entspannung und Genuss. Wir sind süchtig nach Emotionen, die uns ein gutes Gefühl geben – und dem Teil unseres Gehirns, in dem die Emotionen entstehen, sind Fakten vollkommen schnuppe. 

Ob Stories Pop-Up Kitchen es geschafft hat, uns eine gute Geschichte zu erzählen? Hier kommt der Bericht.


18.01.2020, 18:45 Uhr: Meine Sorge, in dem dunklen Gebäudekomplex den Restauranteingang erst gar nicht zu finden, erweist sich als unbegründet: Er leuchtet in strahlendem Pink! Wir treten ein und stehen in der riesigen ehemaligen Toys „R“ Us-Verkaufshalle. Wie groß der Raum wirklich ist, ist schwer zu erkennen, da lediglich Restaurant- und Barbereich beleuchtet sind. Wir werden freundlich begrüßt, kurz über den Ablauf informiert und erst einmal Richtung Bar geschickt („An den Tischen passiert noch nichts.“). Was beim Rundumblick ins Auge sticht, ist das blaue Bällebad. Mein Verhältnis zu mit bunten Plastikkugeln gefüllten Hohlräumen war schon immer ambivalent – spannend anzuschauen, wirklich wohlgefühlt habe ich mich in so einem Ding nie. Aber was tut man nicht alles fürs Foto.

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© Christian Bartle Fotografie

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Nachdem das erledigt ist und Fotograf Chris genügend Bilder von leeren Tischen gemacht hat, begeben wir uns an die Bar. Ich bestelle Frying Homer (ist gelb und brennt), für Chris gibt’s einen Batman-Drink in der Fledermaus-Tasse. Das Publikum an der Bar ist bunt gemischt und man spürt die Spannung und Freude auf den Abend. Im Hintergrund läuft Videospiel-Musik.

© Christian Bartle Fotografie
© Christian Bartle Fotografie

Getreu dem Motto Let’s play! stehen und liegen überall im Raum Spielzeuge, die nach Belieben genutzt werden dürfen – sofern es nicht gerade ein anderer tut. Seit wir angekommen sind, habe ich nämlich ein Auge auf ein ferngesteuertes Mario Kart-Auto geworfen, das sich leider als sehr beliebt erweist. Als ich es endlich schaffe, die Fernbedienung zu ergattern, setze ich Dinosaurier Yoshi zur Begrüßung erst einmal frontal gegen den nächsten Betonpfeiler.

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© Christian Bartle Fotografie 

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© Christian Bartle Fotografie

Nach einigen Runden, die der kleine Rennfahrer im echten Leben fast überlebt hätte, bittet mich ein älterer Herr – formvollendet und nach allen Regeln der Sandkastenkonversation – auch einmal fahren zu dürfen. Natürlich will ich zeigen, wie gut ich teilen kann und überlasse ihm großzügig die Fernbedienung.

Gegen halb acht werden wir zu Tisch gebeten und noch einmal nach Wünschen bezüglich Fleisch/Fisch/vegetarisch und Allergien gefragt. Wir nehmen, was auf den Tisch kommt. Begleitet wird das Menü auf Wunsch von einer Weinreise – einer Komposition aus mehreren Weinen, zu jedem Gang einen. Unseren Tisch teilen wir mit einer Konstruktion, die aussieht wie ein Kaugummiautomat, an den ein Bunsenbrenner montiert wurde. Im oberen Teil befindet sich eine riesige Garnele, unten blubbert ein Sud vor sich hin. Wie in einem Mokkakocher wird dieser irgendwann nach oben steigen. Da unsere Nebentische kein solches Ding haben, sind wir wohl in irgendeiner Weise für die Vorspeise verantwortlich.

Bis es tatsächlich losgeht, dauert es noch ein wenig und mittlerweile haben wir einen Bärenhunger. Schließlich zeigt unsere Garnele aber, was sie kann, ein Kellner verteilt den frisch gekochten Meeresfrüchte-Sud auch an unsere Nachbarn – das Ergebnis ist köstlich! 

Zum Menü selbst möchte ich gar nicht allzu viel sagen – ein wenig Überraschung soll ja noch dabei sein. Deshalb ist die genaue Speisenfolge auch nicht auf der stories-Website veröffentlicht. Aber: Das Konzept sieht vor, dass jeder Gang an ein Spiel oder ein verwandtes Thema angelehnt ist.

Unser beider Highlight ist ohne Zweifel das Hauptgericht (Minecraft) – ich habe selten so gutes Fleisch gegessen. Bis auf einen Zwischengang (Pac-Man), der nicht mein Fall ist, schmeckt uns von der Garnelen-Geschichte bis zum Bananendessert mit Feuer und Minions tatsächlich alles sehr, sehr gut. Und, um dem größten Vorurteil gegenüber exklusiveren Menüs entschieden entgegenzutreten: Wir werden mehr als satt. So satt, dass wir beide einen Teil des riesigen Desserts stehenlassen müssen, was ein bisschen schade ist. Also fast volle Punktzahl für die Kulinarik!

© Christian Bartle Fotografie

© Christian Bartle Fotografie 
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© Christian Bartle Fotografie
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© Christian Bartle Fotografie
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© Christian Bartle Fotografie

Nach dem Essen werde ich zu drei Partien Vier gewinnt herausgefordert. Ich verliere alle und bin vielleicht ein bisschen beleidigt. Das Restaurant Set-Up erweist sich trotz des minimalistischen Designs und der großen Location als sehr gemütlich und während einige Gäste zur Bar weiterziehen, sitzen wir noch eine ganze Weile bei unserem Wein – die Weinreise ist nämlich alles andere als ein Kurztrip. Alle Tropfen sind hervorragend auf das Menü abgestimmt und schmecken uns sehr gut. Lediglich beim süßen Dessertwein passen wir, aber der ist nun einmal wirklich Geschmackssache. Und, wie bereits erwähnt: Es geht auch einfach nichts mehr rein. Als wir uns auf den Heimweg machen, ist es fast halb zwölf.

© Christian Bartle Fotografie

Fazit: Unterhaltsam, entspannt und genussreich – das war unser Abend bei Stories Pop-Up Kitchen definitiv. Ein großes Lob geht an das Team, das durch die Bank sehr professionell und dennoch dem Motto Let’s play! entsprechend, herzlich und locker agierte. Wir haben uns wirklich wohlgefühlt!

Wer mich kennt, weiß aber, dass mir trotzdem noch ein Verbesserungsvorschlag einfällt: Um die Besonderheit des Events zum Abschluss noch einmal zu unterstreichen und dieses Kapitel von Stories elegant zu Ende zu führen, hätte ich mir das Ende des Abends etwas weniger offen bzw. etwas mehr im Konzept gewünscht – zum Beispiel in Form einer offiziellen Verabschiedung aller Gäste, vielleicht sogar mit einem gemeinsamen Spiel oder einfach ein paar persönlichen Worten am Ausgang. Das aber nur als wirklich kleine Randbemerkung im Sinne eines konstruktiven Feedbacks.

Es ist toll, wenn innovative Konzepte gedacht und umgesetzt werden und dann auch tatsächlich ihr Publikum finden. Ich gehöre definitiv dazu – und ich bin gespannt auf die Fortsetzung. Was mir deshalb wirklich ein Anliegen ist…

© Christian Bartle Fotografie

Wer sich in der Gastronomie auskennt, weiß, dass mit einem solch aufwendigen, zeitlich sehr begrenzten Konzept in aller Regel keine großen Gewinne eingefahren werden. Auch wenn der Menüpreis auf den ersten Blick vielleicht hoch erscheinen mag, zahlt man hier nicht nur „für ein Abendessen“, sondern auch für Konzeption, Genehmigungen, Auf- und Abbau, Ambiente, geschultes Personal usw. Die Kosten sind enorm und wer sich als Gastronom diesem Risiko aussetzt – um seinen Gästen eben mehr als nur ein Abendessen anzubieten – verdient aus meiner Sicht höchsten Respekt. (Das gilt z. B. auch für das Gourmet Varieté, über das ich in diesem Artikel geschrieben habe!)

Deshalb wäre es schön, wenn diejenigen, die sich trauen, neue Wege zu gehen, in Heidelberg in Zukunft noch mehr gefördert und unterstützt werden. Die Stadt braucht innovative Konzepte, sonst stirbt sie. Das betrifft nicht nur die Gastronomie, sondern die Kultur- und Kreativszene, das Nachtleben, den Einzelhandel und so weiter. Man kann nicht oft genug betonen, wie wichtig es ist, dass hier alle an einem Strang ziehen.

(Was nicht heißen soll, dass in Heidelberg in dieser Hinsicht nichts passiert. Eine tolle Initiative, die erst kürzlich von der Stadt ins Leben gerufen wurde, ist die Zwischennutzungsagentur TEAM Z.)

Aber das Thema betrifft uns alle. Eine lebendige Stadt kann es nur geben, wenn Angebote auch genutzt werden. Deshalb mein Aufruf an jeden, der diesen Artikel bis zum Ende gelesen hat: Die schönsten Geschichten entstehen nicht im heimischen Wohnzimmer, sondern dort, wo wir mit anderen in Kontakt treten, wo wir Neues ausprobieren – und meistens genau dann, wenn wir am wenigsten damit rechnen. Also, ihr Menschen da draußen: Lasst euch Geschichten erzählen! Und erzählt sie weiter.

Stories Pop-Up Kitchen findet noch bis zum 28. März 2020 statt. Die Menüpreise liegen bei 77–88 € pro Person, die Weinreise kostet 50 €. Infos: www.stories-popup-kitchen.de

Herzlichen Dank für die nette Einladung an das Stories-Team und an Christian Bartle für die fotografische Begleitung. >> Seine komplette Bilderstrecke findet ihr hier.


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Marlen Schneider

Schön, dass du hier bist! Ich bin Marlen und wohne in Heidelberg. Aus der Pfalz kam ich 2009 an den Neckar und habe hier eine zweite Heimat gefunden. HeidelMag ist meine journalistische Spielwiese – mal objektiv, meist subjektiv und angeblich manchmal unterhaltsam.

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