Wer ist eigentlich Paul? Paul ist mein aktueller Mitbewohner. Er kommt aus der Schweiz, befindet sich in den letzten Zügen seines Jurastudiums und ist eigentlich ganz in Ordnung ;-). Außerdem schreibt er gerne. Hier kommt Pauls erster Gastartikel!
Heidelberg hat ein Stadttheater und mehrere kleinere Theater für jeden Geschmack. Ein Geheimtipp ist das Zimmertheater in der Hauptstraße.
Das Zimmertheater ist das älteste Theater Deutschlands in privater Trägerschaft. Es liegt in der Heidelberger Altstadt und wirkt trotz seinen 68 Jahren moderner, lebendiger und vor allem nahbarer als so mancher Bühnenkoloss.
Durch einen lauschigen Hinterhof gelangt man gleichzeitig ins Foyer, die Garderobe, die Kasse und an die Bar. Die Räumlichkeiten sind klein, das Haus gepflegt, die Einrichtung stimmig, die Garderobe kostenlos, der Sekt preiswert. Schnell ist klar: hier wird Wert auf Details gelegt. Nie hatte ich den Eindruck, Geld ausgeben zu müssen, nur um dort sein zu dürfen.
Die Vorstellungen beginnen um 20:00 Uhr, wobei man ab 19:40 Uhr die schmale Treppe zur Bühne erklimmen darf. Oben angekommen betritt man (wenn man das Zimmertheater das erste Mal besucht etwas verwundert) direkt die Bühne. Das Bühnenbild befindet sich zur Rechten, man schaut auf die dicht gestaffelten Sitzreihen.
Kleiner Tipp: Beim Ticketkauf kauft man keine exakte Platznummer, sondern lediglich einen Platz in einer Reihe. Wenn man also in Gruppen kommt und nebeneinandersitzen will, lohnt es sich, nicht zu spät zu kommen.
Insgesamt gibt es nur sieben Reihen mit insgesamt 93 Sitzen. Die Gäste der vordersten Reihe haben dabei die Füsse direkt auf der Bühne. Das erlaubt eine unheimlich dichte Atmosphäre und eine ungewohnte Nähe zwischen Schauspieler und Zuschauer.
Man erlebt das Geschehen auf der Bühne also hautnah und somit das was Theater wie Kunst allgemein sein sollte: eine Destillation des Lebens die berührt und anregt.
In der Mitte des Stückes gibt es eine kurze Pause, wobei clevere Naturen sich die Getränke per Reservation vorbestellen. Tut man das, wartet im Foyer bereits ein Tischchen mit Namensschild und der gewünschten Erfrischung. So erspart man sich die Wartezeit an der Bar und fühlt sich gleich ein bisschen exklusiv.
Nach der zweiten Hälfte applaudiert man schliesslich begeistert den Schauspielern, fasst seinen Mantel und schlendert zufriedenkultiviert in die Untere Straße, um das Gesehene bei einem Umtrunk zu diskutieren und zu verarbeiten. Das Zimmertheater Heidelberg ist kein Theater wie jedes andere, sondern ein kleines Erlebnis für zwischendurch.
Bei meiner Fototour am nächsten Tag durfte ich auch einen Blick in den Technikraum werfen!
Im Zimmertheater ist alles etwas komprimierter. Dieser Kontrollraum befindet sich gleich hinter der Bühne. Im aktuellen Stück („Die Studentin und Monsieur Henri“) ist er gleichzeitig das Schlafzimmer von Monsieur Henri, in das er oft grummelig verschwindet. Als Zuschauer merkt man davon natürlich nichts.
Hinter der Bühne findet man verschachtelt kleine Aufenthaltsräume, Büros und sogar eine echte kleine Wohnung, in der die Studentin, wohnt, die im Stück fiktiv eine Wohnung sucht! Manchmal ist die Realität wirklich näher an der Fiktion, als man denkt.
Leider ist das Ergattern von Karten für das Zimmertheater äusserst schwierig. Obwohl fast jeden Abend aufgeführt wird, ist das Haus über Monate hinweg fast durchweg ausgebucht. Wer sein Glück trotzdem probieren will, schaut am besten im Internet auf www.zimmertheaterhd.de oder er macht es wie ich, und hofft auf sein Glück: Ich ging einfach fragen, ob für die nächsten Tage zufällig ein paar Karten zurückgegeben wurden. Glücklicherweise war das so.
Ich empfehle den Besuch im Zimmertheater jedem, der einen anregenden Abend in bester Atmosphäre geniessen möchte und keine Lust auf Kino hat. Und wenn doch Kino, dann ins Gloria und Gloriette in der Hauptstrasse 146. Doch das ist ein Thema für einen anderen Artikel.
Öffnungszeiten Kasse:
Montag – Samstag 11 – 13 Uhr und 18 – 20 Uhr
Sonntag: 16 – 18 Uhr
Feiertage: 18 – 20 Uhr geöffnet
Preise:
Die Preise schwanken zwischen 9,50 € (Dienstag, 6. und 7. Reihe) und max. 25 €(Samstag, 1. Reihe).
Alle Angaben ohne Gewähr.
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