«Ich habe ein cooles Geburtstagsgeschenk für dich, aber ich verrate noch nicht was!» Mit diesen Worten spannte mich mein Ex-Mitbewohner Paul wochenlang auf die Folter (auch wenn letztendlich ich es war, die ihn im Laufe eines rotweinreichen Abends davon abhalten musste, sein kleines Geheimnis auszuplaudern). Am Geburtstagsmorgen präsentierte er mir dann feierlich: einen weiteren Gastartikel für das HeidelMag! Dafür war er (vollkommen selbstlos, wie das seine Art ist) sogar extra im Kino – und zwar im Gloria und Gloriette in der Altstadt. Danke Paul, das war wirklich ein cooles Geschenk!
Eine sehr repräsentative Studie hat ergeben, dass kleine Kinos vom Aussterben bedroht sind. Sie werden von Cine-Multiplex-Paläste und Streaming-Diensten verdrängt. Das Kinosterben lässt sich auch in Heidelberg beobachten! Am 23. November 2017 eröffnete der Luxor-Filmpalast einen monumentalen Vergnügungstempel. Wie die Zukunft der kleinen Lichtspielhäuser aussieht, lässt sich unschwer ausmalen.
Gegen diesen Gigantismus wirkt das Gloria & Gloriette in der Hauptstraße wie David gegen Goliath. Höchste Zeit, David einen Besuch abzustatten.
Gloria & Gloriette von außen: Nostalige pur!
Ich kenn das Kino bereits, aber meine zwei Kommilitonen staunen nicht schlecht, als wir vor dem Eingang stehen. Das Gloria & Gloriette besteht aus zwei Kino(-sälen) und wirkt ein bisschen, als sei es in der Zeit stehen geblieben. Als würde es sich aktiv-trotzig gegen den Mainstream und flüchtige Modeerscheinungen stemmen – was natürlich der Realität sehr nahekommt. Hier bekommt man die Verpflegung noch an der Kasse, die Popcornmaschine thront prominent im Eingangsbereich und die Kassierin will freundlich lächelnd aus ihrem Kabäuschen unsere Studentenausweise sehen
Dass man die Cola dabei in der Glas- und nicht der Plastikflasche in die Hand gedrückt bekommt, versteht sich von selbst. Bei dieser Gelegenheit durfte ich auch mit Frau Mauerer-Klesel sprechen, die das Kino seit über 30 Jahren leitet. Lustig war auch, als kurz vor Filmbeginn die Kassiererin den Kopf in den Saal streckte und lauthals fragte, ob noch jemand ein Eis zur Abkühlung vor der Vorstellung möchte. (Da es mir dabei etwas warm ums Herz wurde, war das im Hinblick auf die versprochene Abkühlung nicht zielführend und gibt leider Abstriche in der Gesamtbewertung.)
Und innen?
Auch. Die Kinosäle selbst haben bereits einige Jahre auf dem Buckel und sind, genau wie die Leinwand, relativ klein. Doch in keinem Moment hat mich das gestört. Alles wirkt einfach einen Ticken persönlicher und echter. Das spiegelt sich auch im Kinoprogramm wieder. Im Kino in der Heidelberger Altstadt laufen ausschließlich etwas speziellere Filme, die oft zum Denken anregen, meist unter dem Radar laufen, die man grundsätzlich nicht als Hollywood-Blockbuster bezeichnen kann aber dafür meist umso mehr einen künstlerischen Aspekt haben. Kenner nennen es Arthaus (oder auch Filmkunstkino), was für Normalsterbliche heisst, dass Thor und Hulk sich auf der Leinwand der Gloriette nie prügeln werden.
Nichtsdestotrotz gewann der vorletzte Film, den ich mir im Gloria & Gloriette ansah („Three Billboards outside Ebbing, Missouri“), in der darauffolgenden Nacht zwei Oscars: So kann’s auch gehen!
Dieses Mal sahen wir uns „Tully“ an. Der Film erzählt die Geschichte einer überarbeiteten Mutter, die sich vor lauter Erschöpfung eine offenherzige Nacht-Nanny einstellt, die sich nicht nur jede Nacht um das jüngste der drei Kinder kümmert, sondern auch Stück für Stück das Leben der Mutter in neue Bahnen lenkt.
Zugegeben: Als männlicher, 26-jähriger Student bin ich nicht akut vom Muttersein betroffen. Entsprechend niedrig waren meine Erwartungen an den Film. Denn ich muss gestehen, dass ich nicht nur Arthouse-Fan bin: Ich finde es sehr ansprechend, wenn Thor Hulk aufs Maul gibt und die komplexen Probleme des Mutterseins sind mir im Moment nicht so präsent. Aber obwohl der Film kein cineastischer Meilenstein ist, war ich positiv überrascht und die anschließende Diskussion garantiert.
Und genau das ist der Punkt! Die ganze Atmosphäre des Kinos in Kombination mit den interessanten, ungewohnten Filmen erschafft ein viel intensiveres Erlebnis als wenn man einen seelenlosen Filmpalast besucht. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Will man einen gemütlichen Abend zum Abschalten, bieten sich diese Filmpaläste durchaus an.
Sucht man aber ein Erlebnis, an das man noch etwas länger als 15 Minuten nach der Vorstellung denkt, sollte man ins Gloria & Gloriette gehen – und vielleicht auch einfach mal mutig einen Film wagen, der einem überhaupt nichts sagt.
Ich für meinen Teil hoffe, dass sich David noch lange gegen Goliath behaupten kann.
Hier geht’s zur Website von Gloria & Gloriette!
Ticket-Kosten: 6,50 – 8,50 € (mit Studentenausweis günstiger)